Klaus Rohwer 



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Die Mundharmonika - ein musikalischer Globetrotter 

TitelseiteChristoph Wagner (Herausgeber),mit Beiträgen von Hartmut Berghoff, Sören Birke, Martin Häffner und Christoph Wagner

TRANSIT-Verlag Berlin 1996

ISBN 3-88747-110-5

DM 48,-

Schnuremusig, Bläsle, Lippenquäke, Fotzhobel, Schnutenorgel, Muulgiige, Hosentaschenklavier, Mundharfe, Goschenhobel, Muulorgeli, Proleteninstrument, "gräulichste der Ohrenplagen"... das sind nur einige der Benennungen, die sich die Mundharmonika allein im deutschsprachigen Raum gefallen lassen mußte. In Schweden heißt sie Munspel, in Brasilien Gaita de boca und in den USAFrench Harp, obwohl sie dort nach wie vor als das typisch deutsch-österreichische Musikinstrument angesehen wird. Nicht ganz zu Unrecht, denn - wie man im Laufe der Lektüre des Buches "Die Mundharmonika - ein musikalischer Globetrotter" von Christoph Wagner (Herausgeber) erfährt - sie wurde wohl um 1820 in Wien erfunden und später dann in großen Mengen aus Deutschland in alle Welt exportiert.

Eine ungeheure Materialfülle haben der Herausgeber und seine Mitautoren Martin Häffner, Hartmut Berghoff und Sören Birke da zusammengetragen und zu einem flott lesbaren, amüsanten und sehr informativen Buch verarbeitet. Es ist mit vielen, zum Teil farbigen Illustrationen in zumeist hervorragender Bildqualität versehen.

Wagner selbst ist Musikjournalist, Berghoff und Häffner sind Historiker, und Birke ist Musiker - genauer gesagt ein (inzwischen nicht mehr ganz unbekannter) Blues-Harp-Spieler - und ebenfalls historisch interessiert und ausgebildet. So gibt das Buch dann auch im wesentlichen die rund 170jährige wechselvolle Geschichte der Mundharmonika und ihrer Verwendung in den Musikstilen der Welt wieder.

Als Aufmacher dient Wagner die Rolle dieses Instruments in der Popmusik - ein Einstieg, der Appetit macht auf die anderen Stilrichtungen wie Folk- und Volksmusik, Blues und Gospel, Hillbilly und Country, Jazz und Weltmusik, Klassik und ... Klamauk. Doch diese werden erst in späteren Kapiteln behandelt, zunächst einmal geht es zurück in die Vergangenheit. Man erfährt etwas über Vorläufer und Frühformen der Mundharmonika und von der häufigen Verwechslung mit der Maultrommel.

Die Mundharmonika als SoldateninstrumentDas Buch ist als Band 5 der "Publikationen des Harmonikamuseums Trossingen" erschienen, und sein historischer Teil beruht im wesentlichen auf Unterlagen dieses Museums sowie der Sammlung Hohner im Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg. Entsprechend wird der Aufstieg der Firma Hohner zum Weltmarktführer und die Verteidigung dieser Position eingehend beschrieben, aber auch die nicht immer ganz ehrenhaften Praktiken des Gründers und seiner Nachfolger kritisch betrachtet: Angefangen mit einem Akt der Industriespionage ging es über geschickte Reklamemethoden, die man heute zum Teil als "Schleichwerbung" oder neudeutsch als product placement bezeichnen würde, bis hin zur plumpen Anbiederung an das Naziregime. Aber da standen auch die anderen Hersteller, die sich in Sachsen konzentrierten, nur wenig nach. Damit ist man dann auch schon ganz nahe bei einem weiteren Thema: die Mundharmonika als Soldateninstrument. Das ist ein Kapitel für sich - im übertragenen wie im wörtlichen Sinne.

Ausführlich wird natürlich die Verwendung der Mundharmonika im Blues gewürdigt, die aus der french harp die blues harp gemacht hat. In der Country-Musik wiederum scheint die Harp gar nicht so selbstverständlich gewesen zu sein, wie ich gedacht hatte. Eine ungeheure Popularität errang die Mundharmonika in den dreißiger Jahren in den USA durch die Klamauk-Gruppe "Harmonica Rascals" des legendären Borrah Minnevich. Immer wieder wurde auch klassische Musik auf der Mundharmonika dargeboten, sei es durch Solisten wie Larry Adler und Tommy Reilly, oder durch solch große Formationen wie das Berliner Stern-Orchster, die "Philharmoniker der Mundharmonika". Dennoch konnte das Hosentascheninstrument sein Spielzeugimage nie ganz abschütteln. Das Kapitel über die Mundharmonika im Jazz ist leider im Vergleich zu den anderen recht kurz geraten. Gibt es da nicht mehr zu sagen?

The Jewel of AfricaDas Buch ist voll mit amüsanten und skurrilen Einzelheiten und Episoden. Man erfährt von Modellen in Bananen- und in Boomerangform und davon, wie ein forro, eine lokale Musikform in Brasilien, nach "Kugel 7" benannt wurde - und was das mit einer Mundharmonika zu tun hatte. Wußten Sie schon, daß es die Mundharfe auch im argentinischen Tango gibt, und auch im bossa nova, sogar schon vor Toots Thielemans' "Brazil Project"? Oder kennen Sie Dr. Oluh und den Milo Jazz aus Westafrika, wo das Instrument eine wichtige Rolle spielt? Höchst erstaunlich ist die Geschichte, wie es Larry Adler als Anfänger im Showgeschäft gelang, mit Duke Ellington zusammen zu spielen. Wir erfahren auch, auf welche Weise Junior Wells zu seiner "Marine Band" kam, und ein paar Seiten später, warum er unbedingt eine "Marine Band" brauchte: auf seinem vorigen Instrument hatte Sonny Boy Williamson wutentbrannt herumgetrampelt!

Sehr interessant für mich als Jazzfreund war auch der Abschnitt über den Musikerstreik 1942/43 in den USA, von dem man in jeder Abhandlung über Jazzgeschichte nachlesen kann, daß er dazu geführt hat, daß der inzwischen entstandene Bebop der Welt eine Weile vorenthalten wurde. Doch daß es dabei um eine so wichtige Frage wie die Einführung von Tantiemen für Schallplatten ging, war mir vorher noch nicht bekannt. Natürlich spielte auch hierbei die Mundharmonika eine Rolle, die den Verächtern dieses Instrumentes zu einer Lehre geworden ist.

Kein Werk ist vollkommen, so auch dieses Buch nicht. Unverständlich ist mir beispielsweise, warum die Autorennamen nur im Inhaltsverzeichnis, nicht aber bei den einzelnen Kapiteln aufgeführt sind.

Banana HarmonicaDas Buch ist zwar mit vielen Abbildungen ausgestattet, aber im Kapitel über "Etuis als Spiegel der Zeit" hätten es noch mehr sein können. Im Text sind so viele Verpackungsvariationen beschrieben, daß natürlich nicht alle abgebildet werden können, aber gerade von einigen, die sich besonders interessant anhören, vermisse ich die bildliche Wiedergabe. Überhaupt ist es schwierig festzustellen, ob es zu einer bestimmten Textstelle eine Abbildung gibt oder nicht; hier wären Hinweise im Text nützlich, die den Bezug herstellen.

Zur Technikgeschichte der Mundharmonika erfährt man leider nur ein wenig im Kapitel zur Vor- und Frühgeschichte. Ich hätte zum Beispiel gerne gewußt, wann die chromatische Mundharmonika erfunden wurde, und von wem. Im Abschnitt über das Stern-Orchester ist noch die Rede davon, daß bei jedem Konzert ca. 600 (diatonische) Instrumente eingesetzt wurden, "um die Halbtöne herauszubekommen", im folgenden Kapitel über Larry Adler und Tommy Reilly wird wie selbstverständlich davon ausgegangen, daß sie chromatische Mundharmonikas spielen. Und dann gab es da doch auch noch dieses seltsame Instrument - wie hieß es noch gleich? - das Helmut Herold auf dem Bild auf Seite 145 am Mund hat ... kein Wort davon im Text!

Als sehr lobenswert möchte ich die Diskographien erwähnen, die sich an jedes Kapitel anschließen, sowie die Verzeichnisse der Zitate und Anmerkungen und der Literatur im Anhang. Das Personen- und Sachregister ist bezüglich der Namen wohl vollständig, doch Sachbegriffe sind leider nur sehr wenige verzeichnet.

Insgesamt ergibt sich für mich - trotz der genannten Unvollkommenheiten - das Bild eines nicht nur für Mundharmonikainteressierte überaus lesenswerten Buches.

Klaus Rohwer

Dieser Artikel ist erschienen in Heft 6 (Winter 1997) der deutschsprachigen Mundharmonikazeitschrift Harmonica Player.

Liste meiner (nicht nur musikalischen) Veröffentlichungen.


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(c) 2001 Klaus Rohwer
Alle Abbildungen wurden dem Buch entnommen.