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Originaltext
von Peter Krampert (USA),
deutsche Übersetzung von Klaus Rohwer mit freundlicher Genehmigung des Autors |
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Ca. 3000 v. Chr.
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Das erste Instrument mit freischwingenden Zungen (Durchschlagzungen)
wird in China entwickelt. Im Verlauf der folgenden Jahrtausende werden die Durchschlagzungen-Instrumente weiterentwickelt und
verbreiten sich über ganz Südostasien.
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1636
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Marin Mersènne beschreibt in seinen Briefen die Sheng,
ein asiatisches Durchschlagzungeninstrument und macht damit das Prinzip der freischwingenden Zunge in Europa
bekannt.
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1776
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Der französische Jesuit und Missionar Père Amiot schickt
einige Shengs von China nach Paris.
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Ca. 1780
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Europäische Instrumentenbauer beginnen mit freischwingenden Zungen
zu experimentieren.
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1816
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Johann Buschmann, ein deutscher Orgelbauer, stellt sein Terpodion, ein
Tasteninstrument mit Durchschlagzungen, vor. Es ist der Vorläufer sowohl der Mundharmonika als auch des
Harmoniums.
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Hier irrt Mr. Krampert: Das Terpodion ist kein Durchschlagzungeninstrument, die Klangerzeuger werden nicht durch strömende Luft,
sondern durch eine rotierende Walze in Schwingung versetzt. |
1821
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Christian Friedrich Buschmann, Sohn des Orgelbauers Johann Buschmann,
erhält das erste europäische Patent für eine Mundorgel mit freischwingenden Zungen. Er nennt seine Erfindung
"Aura"
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Die Urheberschaft Buschmanns ist umstritten [2]. Daneben werden weitere Namen als
Erfinder genannt, etwa Weinrich oder Weinreich oder Scheibler; der Ursprung wird auch in Österreich vermutet. Manchen
Quellen zufolge beanspruchte Buschmann nie ein Patent auf seine Erfindung. [1] |
1823
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Der Geigenbauer Johann Georg Meisel ersteht in Braunschweig eine Mundharmonika,
bringt sie nach Klingenthal (sächsisches Vogtland) und will sie nachbauen. Die Metallarbeiten lässt er von Johann
Langhammer in Graslitz (böhmisches Vogtland) ausführen. [1] |
1824
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Wilhelm Thie aus Rathenow ersteht in Wien eine Buschmannsche
„Mundharfe“ und baut sie nach. Verlegt sich immer mehr auf den Mundharmonikabau und gründet
schließlich in Wien die erste Mundharmonikafabrik der Welt. [1] |
1825
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Die erste
20-Ton-/10-Loch-Blas-Zieh-Durchschlagzungen-Mundharmonika-Anordnung wird von einem gewissen Herrn Richter aus Böhmen
entwickelt. Dies ist auch heute noch die grundlegende Konfiguration der meisten Mundharmonikas.
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1826
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Ignatz Hotz beginnt in Knittlingen Mundharmonikas zu fertigen. [1] |
1827
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Christian Messner, ein Uhrmacher aus Trossingen, und sein Cousin
Christian Weiss beginnen mit der Produktion von Mundharmonikas.
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Ein reisender Uhrenhändler bringt eine Mundharmonika aus Wien nach Trossingen
(Württemberg). Langhammer in Graslitz (böhm. Vogtland) baut Mundharmonikas in größeren Mengen, die von
Meisel in Klingenthal (sächs. Vogtland) vertrieben werden. [1] |
1828
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Buschmann soll in einem Brief aus diesem Jahr von seiner „soeben
getätigten Erfindung“ gesprochen haben [2]. Falls er die Mundharmonika in diesem Jahr erfunden hat, war er mit
Sicherheit nicht ihr erster Erfinder. |
1829
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Die erste Massenproduktion von Mundharmonikas beginnt in
Wien.
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Johann Wilhelm Rudolph Glier beginnt in Klingenthal Mundharmonikas zu fertigen.
[1] |
1830
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Christian Messner beginnt in Trossingen Mundharmonikas zu fertigen. [1] Johann
Christian Seydel und Christian August Seydel in Klingenthal (sächs. Vogtland) ergreifen den amtlich anerkannten Beruf
des Mundharmonikamachers. [3] |
1834
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Langhammer (Graslitz) liefert 1200 „Mundharmoniken“ an Meisel
(Klingenthal) aus. [1] |
1839
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In Klingenthal gibt es bereits 50 Betriebe, die Mundharmonikas herstellen.
[1] |
1841
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Bei Thie in Wien wird das Prinzip der Tremolo-Mundharmonika entdeckt.
[1] |
1847
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Matthias Friedrich Hotz, Sohn von Ignatz Hotz in Knittlingen, erfindet die
Oktav-Mundharmonika. [1] |
27. Oktober 1847
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Christian August Seydel gründet in Klingenthal die erste Mundharmonikafabrik
Deutschlands. [3] |
Ca. 1850
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In Trossingen trennen sich Andreas Koch und Christian Weiß von Messner und
gründen eigene Harmonikamanufakturen. Weiß nennt seine „Erste Württembergische Harmonikafabrik“.
Der Uhrmachergeselle Matthias Hohner schaut sich in diesen Betrieben ab, wie man Mundharmonikas baut, und beginnt selbst
welche zu fabrizieren. [1] |
1857
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Nach dem Besuch der Mundharmonikafabrik von Messner und Weiss beginnt
Matthias Hohner, ein Uhrmachergeselle aus Trossingen, in seiner Küche mit Hilfe seiner Familie und zwei Arbeitern
Mundharmonikas zu fabrizieren. Während des ersten Jahres produzieren sie 700 Stück.
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1860
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In Klingenthal und Umgebung werden 3 Millionen Mundharmonikas pro Jahr gebaut.
[1] |
1862
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Auf Nachfrage von Verwandten, die in die USA ausgewandert waren,
beginnt Matthias Hohner mit großem Erfolg Mundharmonikas nach Amerika zu exportieren.
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Eine chromatische Mundharmonika wird in Großbritannien patentiert.
[5] |
1. Oktober 1864
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Christian Friedrich Ludwig Buschmann stirbt in Hamburg [1] |
1867
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Die Firma Matth. Hohner produziert 22000 Mundharmonikas.
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1868
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Julius Berthold in Klingenthal gründet eine Maschinenfabrik, die auch die
ersten Tonzungenstanz- und Fräsmaschinen herstellt und nicht nur die gesamte mitteleuropäische Harmonikaindustrie
beliefert, sondern auch die USA und Russland. |
1878
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Maschinen, die von Julius Berthold entwickelt wurden, ermöglichen
es [Hohner; Anm. d. Übers.], Stimmzungen maschinell statt von Hand auszustanzen.
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1879
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Bei den Zehnloch-Mundharmonikas wird die Richter-Konfiguration
eingeführt [bei Hohner; Anm. d. Übers.].
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1882
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C. A. Seydel (Klingenthal) stirbt, sein Sohn Richard übernimmt die
Mundharmonikafabrik. [3] |
1883
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Moritz Seydel steigt in die Firma seines Bruders Richard ein, die seither „C.
A. Seydel Söhne“ heißt. [3] |
1887
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Matth. Hohner produziert eine Million Mundharmonikas pro
Jahr.
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1893
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Eine Wirtschaftskrise in Amerika veranlasst Matth. Hohner, die Exporte
in die USA zu beenden und die Vermarktung in anderen Ländern auf zu bauen. Auf diese Weise erweitert sich der
Einflussbereich der Mundharmonika.
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1896
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Matth. Hohner stellt seine "Marine Band" vor, die er später auch
patentiert. Sie protzt mit revolutionären erhöhten, verzierten Metalldeckeln und hervorragenden
Konstruktionsmerkmalen und wird so die meistverkaufte Mundharmonika der Welt.
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1897
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Matth. Hohner produziert drei Millionen Mundharmonikas pro
Jahr.
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Ende 19. Jhdt.
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Wilhelm Thies Enkel (Wien) verkauft die Produktion an eine Firma in Graslitz
(Böhmisches Vogtland). [1] In Knittlingen gibt es mittlerweile eine Reihe von Mundharmonikaherstellern. [1] |
1900
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Matthias Hohner übergibt die Leitung seiner Firma an seine
fünf Söhne.
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11. Dezember 1902
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Matthias Hohner stirbt.
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1906
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Die Erben der Fa. Hotz in Knittlingen verkaufen an Hohner. [1] |
1911
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Die Firma Matth. Hohner produziert acht Millionen Mundharmonikas pro
Jahr.
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1913
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Die chromatische Mundharmonika taucht erstmals in einem (englischen) Hohner-Katalog
auf. [5] |
Ca. 1920 - 1930
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Das Goldene Zeitalter der Mundharmonika bricht an. Die Aufnahme von
Schallplatten ermöglicht es Blues-, Country- und Jazzmusikern sowie Jug Bands von einem Massenpublikum gehört zu
werden. Der Titel "Wreck Of The Old 97" von Vernon Dalhart wird die erste Aufnahme, die mehr als eine Million Mal verkauft
wird. Deford Bailey feiert Erfolge in der Grand Ole Opry und schneidet die ersten Country-Platten in Nashville.
Bluesmusiker werden aufgenommen, zunächst in New York, und am Ende des Jahrzehnts gibt es Schallplatten von Hunderten
von ihnen aus dem ganzen Land. Harmonika-Bands sprießen wie Pilze aus dem Boden werden die Renner in den
Vaudeville-Shows.
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C. A. Seydel produziert 7 Millionen Mundharmonikas pro Jahr [3] |
1923
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Albert Hoxie, ein Philantrop [Menschenfreund] aus Philadelphia,
beginnt, Mundharmonika-Wettbewerbe zu organisieren. Er gründet auch Harmonika-Kapellen und rüstet sie
vollständig mit Marching-Band- Uniformen aus. Das löst einen regelrechten Mundharmonika-Fimmel aus [in den
USA; Anm. d. Übers.].
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1924
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Matth. Hohner beginnt, chromatische Mundharmonikas zu produzieren. In
den 20er Jahren kommen auch Bass-, Akkord- und Polyphonia-Modelle von Hohner auf den Markt, um den Bedarf der
Harmonikaensembles zu decken.
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1925
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In Trossingen und Klingenthal werden jährlich 25 Mio. Mundharmonikas
produziert. [4] Die chromatische Mundharmonika taucht erstmals im deutschen Hohner-Katalog auf. [5] |
1927
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Der Entertainer und Mundharmonikalehrer Borrah Minevitch trifft mit
Johnny Puleo zusammen: die Harmonica Rascals sind geboren. Durch die Kombination von Mundharmonikamusik und Slapstick
werden die Harmonica Rascals schnell zu einem der attraktivsten Publikumsmagnete im Showgeschäft und wecken das
Interesse Tausender für das Mundharmonikaspiel.
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1928/29
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Die großen Trossinger Firmen Ch. Weiss und And's Koch AG werden von Hohner
übernommen. [4] |
Ca. 1930 - 1940
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In Amerika ist man verrückt nach Mundharmonika-Bands.
Mundharmonika-Unterricht ist Bestandteil des regulären Lehrplanes an vielen öffentlichen Schulen [in den USA;
Anm. d. Übers.]. Mundharmonika-Ensembles tauchen in Filmen auf. Larry Adler erscheint als der erste
größere Solist auf der Mundharmonika, der Klassische Musik und Jazz auf diesem Instrument spielt. Der
Jug-Band -Fimmel verebbt bis zum Folk-Revival in den 1960ern.
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1930
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Matth. Hohners jährlicher Absatz erreicht 25 Millionen
Mundharmonikas weltweit.
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Ca. 1940 - 1950
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Der Ausbruch des zweiten Weltkrieges unterbricht den Import von
Mundharmonikas aus Deutschland in die USA. Die Mundharmonika-Ensembles lösen sich auf, weil viele Spieler zum
Militär gehen. Arbeitskräftemangel im Norden [der USA] veranlasst Hunderte von Bluesmusikern nordwärts nach
Chicago und in andere Industriestädte zu gehen. Der "Elektrische Blues" kommt auf, weil vielen Spielern die
Verstärkungs-Experimente von Snooky Pryor gefallen.
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1946 - 1991
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C. A. Seydel ist „Volkseigener Betrieb“ der DDR |
1947
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Die Aufnahme "Peg O' My Heart" von den Harmonicats wird
Bestseller des Jahres. Sie sollte sich später noch als eine der meistverkauften Single-Aufnahmen aller Zeiten erweisen,
indem sie über 20 Millionen mal verkauft wurde. Dieser Erfolg überzeugte endlich auch die Musikergewerkschaft, die
Einordnung der Mundharmonika als "Spielzeug" zugunsten der als ordnungsgemäßes Instrument zu ändern und damit
Mundharmonikaspielern die Mitgliedschaft zu ermöglichen.
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Ca. 1950 - 1960
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Während die größeren Mundharmonikaorchester nahezu
verschwinden, wächst die Popularität der Harmonika-Trios, angespornt durch die Erfolge der Harmonicats .
Elektrisch verstärkte Harmonikaspieler, allen voran Little Walter, beherrschen die Chicagoer Blues-Szene. Ein neuer
Musikstil kommt auf: Rock'n'Roll. Gitarristen dominieren in diesem neuen Stil, Mundharmonikas dagegen sind im Rock fast nicht
zu hören - bis zum nächsten Jahrzehnt. In England legen Blues-Fans wie John Mayall und Cyril Davies den Grundstein
für die "Britische Invasion" in den 1960ern. Jean "Toots" Thielemans wird ein bedeutender Instrumentalist im
Jazz.
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1951
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Die Legende besagt, dass Little Walter einer der allerersten gewesen
sein soll, der im Chicago-Stil mit verstärkter Mundharmonika Aufnahmen gemacht hat. Während der Aufnahmen mit Muddy
Waters hat Walter sein Harmonika-Mikrofon direkt in einen Gitarrenverstärker eingesteckt, dadurch den Klang verzerrt und
einen neuen Stil geschaffen.
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Ca. 1960 - 1970
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Der Folk-Musik-Fimmel, angeführt durch Bob Dylan, verleitet
Tausende dazu, das Mundharmonikaspielen zu probieren. Jug Bands erleben einen Aufschwung als Teil des erneuten
Interesses an Folk-Musik. Die Beatles führen eine "Britische Invasion" an. Mehrere britische Bands, wie die Rolling
Stones und die Yardbirds , werden von mundharmonikaspielenden Sängern angeführt. Gegen Ende der 60er
kommt es zu einer Wiedergeburt der Popularität des Blues, angeführt von drei Harmonikaspielern aus Chicago: Paul
Butterfield, Charlie Musselwhite und Corky Siegel.
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1962
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Die SPAH (The Society for the Preservation and Advancement of
the Harmonica ; Gesellschaft zur Erhaltung und Fortentwicklung der Harmonika) wird in der Gegend von Detroit
gegründet. Während der folgenden Jahre entstehen Dutzende kleinerer Vereine, die den Mundharmonikabegeisterten eine
regelmäßige Anlaufstelle geben.
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16. Dezember 1965
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Die Mundharmonika ist das erste Musikinstrument im Weltraum, als
Astronaut Walter Schirra "Jingle Bells" auf einer Hohner Little Lady spielt, die er an Bord des Raumschiffs Gemini 4
geschmuggelt hat.
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Ca. 1970 - 1980
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Die Mundharmonika erfährt einen Abstieg in ihrer Popularität,
weil Gitarristen weiterhin Rock und Blues dominieren und die Country-Musik zu einem "über-produzierten" Nashville-Sound
abdriftet. Die J.-Geils-Band mit ihrem Mundharmonikaspieler Magic Dick steht an erster Front bei der Rock-Harmonika. Der
Blues erleidet mal wieder eines seiner wiederkehrenden Popularitätstiefs.
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Ca. 1980 - 1990
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Der Erfolg der Blues Brothers verhilft der Blues-Harmonika zu
einer Wiederbelebung. Die [amerikanischen;Anm. d. Übers.] Mundharmonika-Firmen (Cham-Ber) Huang und Lee Oskar
erweitern die Grenzen des Harmonika-Designs durch die Einführung von Innovationen wie neuartiger Stimmungen und
auswechselbarer Stimmplatten.
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1986
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Die Firma Matth. Hohner überschreitet die Milliardenmarke bei der
Zahl der produzierten Mundharmonikas.
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Krise der Matth. Hohner AG; die Beschäftigtenzahl sinkt unter 1000. Die Firma
verkauft ihre historische Sammlung an das Land Baden-Württemberg. [4] |
Ca. 1990 - 2000
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Der Aufstieg von Howard Levy, Sugar Blue und John Popper mit der Band
Blues Traveller schieben die Grenzen der Jazz-, Blues- und Rock-Harmonika weit hinaus. Eine Rückbesinnung auf
traditionelle Country-Musik [in den USA; Anm. d. Übers.] entzündet eine erneutes Interesse an der
Mundharmonika in diesem Stil.
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2004
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C. A. Seydel geht in Insolvenz. |
2005
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C. A. Seydel wird durch eine Investorgruppe gerettet. |
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Wer mehr Information möchte, schlage in der "Enzyklopädie der Mundharmonika" von Peter Krampert nach.
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Quellen: |
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[1] Fritz Meisel: Geschichte der Mundharmonika in: Musikblatt 4/81 S.
39 |
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[2] Conny Restle: In aller Munde. Mundharmonika, Handharmonika, Harmonium; eine
200jährige Erfolgsgeschichte, Staatl. Institut für Musikforschung, Berlin 2003, zitiert nach wikipedia |
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[3] http://www.seydel1847.com/ |
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[4] http://www.matth-hohner-ag.de/ |
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[5] Persönliche Mitteilung von Otto Becker unter Berufung auf das Deutsche Harmonika-Museum, Trossingen und auf Pat Missin |