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Einfachtönige und doppeltönige Instrumente

Einfachtönige Mundharmonikas -- auf die weiter unten noch genauer eingegangen wird -- lassen nur genau einen Ton erklingen, wenn man einen Kanal (Kanzelle) anbläst. Sie stehen im Gegensatz zu den doppeltönigen Mundharmonikas (siehe unten). Genau genommen gibt es einfachtönige Instrumente nicht nur unter den diatonischen, sondern auch unter den chromatischen Mundharmonikas, ja es sind sogar fast alle mir bekannten chromatischen Instrumente (siehe unten) einfachtönig, weswegen es dort nicht extra erwähnt wird.

Abb. 9: Oktav-Mundharmonika Oktav-Mundharmonika
Abb. 10: Tremolo-Mundharmonika Tremolo-Mundharmonika
Abb. 11: Oktav-Tremolo-Mundharmonika? Das scheint eher fraglich... (siehe Text!) Oktav-Tremolo-Mundharmonika
Bei doppeltönigen Mundharmonikas erklingen beim Blasen und Ziehen jeweils zwei Stimmzungen gleichzeitig, damit ein vollerer Ton entsteht. Man unterscheidet Oktav- und Tremolo-Mundharmonikas. Bei den Oktav-Modellen (Beispiel in Abb. 9) haben die Stimmzungen, die gleichzeitig erklingen, einen Frequenz-(Tonhöhen-)Unterschied von genau einer Oktave. Bei Tremolo-Mundharmonikas (Beispiel in Abb. 10) sind die beiden Zungen nur jeweils leicht gegeneinander verstimmt, so dass sich eine Schwebung einstellt, ein schnelles Auf- und Abschwellen der Lautstärke -- man spricht daher auch von Schwebeton-Stimmung. Die Tonanordnung entspricht meist derjenigen der Richter-Mundharmonikas (siehe unten). Auch die oben schon genannten Wender-Mundharmonikas gehören -- soweit bekannt -- durchweg zu den Tremolo-Mundharmonikas.

Es gibt angeblich auch Mundharmonikas, die gleichzeitig oktav- und tremologestimmt sind. Wie mir jedoch Besitzer des abgebildeten Instruments (Abb. 11) glaubhaft versicherten, handelt es sich dabei um eine reine Tremolo-Mundharmonika. Möglicherweise ist bei der englischen Version der website des japanischen Herstellers etwas mit der Übersetzung schief gegangen...

Bei doppeltönigen Mundharmonikas sind die Kanzellen in der Regel quergeteilt, so dass zwei Kanzellenöffnungen übereinander liegen. Dies ist in den Abbildungen 10 und 11 gut zu erkennen. Die Querteilung dient dazu, die Schwingungen der beiden gleichzeitig erklingenden Stimmzungen voneinander zu entkoppeln, damit sich insbesondere bei der Tremolo-Ausführung der Schwebetoneffekt auch wirklich einstellt und nicht beide Zungen auf derselben Frequenz mit derselben Phase schwingen, was den Effekt zunichte machen würde. (Offenbar scheint eine gewisse Kopplung aber günstig zu sein, denn gelegentlich findet man Kanzellenkörper, die Bohrungen in diesen Querwänden aufweisen.)

Bei doppeltönigen Instrumenten unterscheidet man noch die Anordnung der Stimmzungen nach dem Knittlinger und dem Wiener System. Bei beiden Systemen liegen auf jeder Stimmplatte sowohl Blas- als auch Zieh-Stimmzungen. Beim Knittlinger System befinden sich Blas- und Ziehzunge eines Kanals tatsächlich in der selben Kanzelle, beim Wiener System sind die Kanäle auch in Längsrichtung nochmals geteilt, so dass Blas- und Ziehzunge in verschiedenen Kanzellen sitzen. Dadurch erscheint hier die Zahl der Kanäle verdoppelt, oder wenn man so will, sogar vervierfacht gegenüber einer einfachtönigen Mundharmonika gleichen Tonumfangs. Je nachdem wie man rechnet, kann man auch sagen, dass die Zahl der Kanäle gleich geblieben ist, aber jeder Kanal jetzt vier Kanzellen (für jede Stimmzunge eine) benötigt.

Während der Einsatzbereich von einfachtönigen Mundharmonikas sehr weit gesteckt ist, sind die Einsatzmöglichkeiten von doppeltönigen Instrumenten nahezu ausschließlich im Bereich der Volksmusik angesiedelt.

Tremolo-Mundharmonikas eignen sich nicht gut für das Spiel im Ensemble, weil prinzipbedingt immer mindestens eine der beiden erklingenden Stimmzungen verstimmt sein muss, sonst gibt es keinen Tremolo-Effekt. Das führt aber dazu, dass sie mit Begleitinstrumenten wie z. B. Gitarre, aber auch ganzen Begleitensembles, nie genau zusammenstimmen. Eine Tremolo-Mundharmonika sollte deswegen eher für das Solo-Spiel eingesetzt werden.

Warum keine Tremolo-Mundharmonika, vor allem nicht für Anfänger?

Tremolo-Mundharmonikas haben zwar den Vorteil, dass sie schnelle Anfangserfolge beim Spielen liefern, denn sie ergeben gleich einen vollen Ton – aber damit hört es dann auch auf. Dagegen haben Tremolo-Mundharmonikas eine ganze Reihe von Nachteilen:
  1. Sie eignen sich nur sehr begrenzt zum Erlernen des richtigen Mundharmonikaspiels. Das liegt daran, dass es recht schwer ist, auf einer Tremolo-Mundharmonika einzelne Töne zu treffen. Es SOLLEN ja sogar jeweils zwei Stimmzungen gleichzeitig erklingen, damit der Tremolo-Effekt eintritt. Aber die beiden anzuspielenden Zungen sind nur die in übereinanderliegenden Kanzellen, nicht in nebeneinanderliegenden! Doch man trifft fast genau so leicht nebeneinander liegende Kanzellen wie übereinanderliegende.
  2. Eine Folge davon ist, dass viele Leute – und das betrifft leider nicht nur Anfänger – gar nicht hören, dass sie keine sauberen Töne auf der Tremolo-Mundharmonika spielen. Der Ton „schwebt“ ja sowieso, da fällt es kaum auf, wenn auch noch ein falscher Ton dabei ist, der auch noch zu einer Schwebung führt. Das schult leider auch nicht das musikalische Gehör. Wahrscheinlich sehen das viele Tremolo-Spieler sogar als Vorteil an: wenn sie selbst keinen falschen Ton hören, denken sie, dass andere ihn auch nicht hören – aber das ist ein Fehler!
  3. Damit der Tremolo-Effekt überhaupt eintritt, müssen die beiden beteiligten Stimmzungen leicht gegeneinander verstimmt sein. Und damit haben wir es: mindestens eine der Stimmzungen ist prinzipbedingt VERSTIMMT. Es ist bei Tremolo-Mundharmonikas keine saubere Stimmung möglich. Auch dies sehen wahrscheinlich viele Tremolo-Spieler noch als Vorteil an: man legt sich halt nicht so genau fest auf die Stimmung… die passt meistens immer irgendwie, genauer gesagt: eigentlich nie.
  4. Das Tremolo selbst erinnert mich immer an den alten Witz, dass der Blaskapellmeister seinen Musikern rät: „Im Zweifel trillern!“. So gesehen ist der Tremolo-Spieler immer im Zweifel, denn sein Instrument kann gar nicht anders als trillern. Man sollte dieses Argument nicht leichtfertig als „albern“ abtun. Psychologisch betrachtet – und das trifft auch schon auf Punkt drei zu – ist es nicht sehr klug, sich nie genau fest zu legen, immer im Zweifel, in der Schwebe (Schwebung!) zu bleiben. Stehe zu Deinem Ton! Wenn er falsch ist, dann ist er eben falsch. Du wirst es hören und es beim nächsten Mal richtig machen – vorausgesetzt, Du hast eine Mundharmonika, bei der man es leicht hören kann (also keine Tremolo).
  5. Im Gegensatz zum „Vibrato“, das man mit der Hand, mit dem Mund, mit der Zunge, mit dem Kehlkopf oder mit dem Zwerchfell, aber jedenfalls selber macht und das meistens eine Mischung aus Frequenzvariation (Vibrato im engeren Sinne) und Amplitudenvariation (Tremolo) ist, kann man die Schnelligkeit der Lautstärkeschwankungen einer Tremolo-Mundharmonika während des Spiels nicht beeinflussen. Dies schränkt die Ausdrucksmöglichkeiten doch erheblich ein. Einem Anfänger wird dies noch egal sein, einem Fortgeschrittenen, der sich möglichst individuell ausdrücken möchte, jedoch nicht.


Richter-Mundharmonikas

Abb. 12: Richter-Mundharmonikas Richter-Mundharmonikas

Die meisten diatonischen Mundharmonikas sind nach dem sogenannten Richter-System gestimmt, das von einem Herrn Richter aus Haida im Erzgebirge um 1875 herum so festgelegt worden ist [1]. Auch die im Blues allgegenwärtigen Bluesharps sind Richter-Mundharmonikas. Richter-Mundharmonikas (Beispiele in Abb. 12) haben 10 Löcher, in den dahinterliegenden 10 Kanzellen liegen jeweils eine Blas- und eine Ziehzunge, insgesamt also 20 Zungen. Sie gehören damit nicht nur zu den einfachtönigen Instrumenten, sondern sind auch deren häufigste Vertreter. In den mittleren vier Kanälen -- meist mit den Nummern 4 bis 7 bezeichnet -- befindet sich die Kernoktave (siehe oben). Links und rechts davon sind die Töne anders angeordnet (vergl. Abbildung 2a).

Tonanordnungen auf verschiedenen Mundharmonikas
Abbildung 2a: Tonanordnungen auf Richter-, SBS- und Solo-Mundharmonika (hier beispielhaft nur in C-Dur); zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken! (Öffnet neues Fenster). Für eine Gesamtübersicht aller Mundharmonikatypen klicken Sie bitte hier!

Die Töne rechts der Kernoktave sind so gewählt, dass man einfach zu höheren Tönen fortschreiten kann, während die Richtung des Luftstromes (Blasen oder Ziehen) für jeden Ton so bleibt wie in der Kernoktave. Nach rechts kommt man eine Oktave höher als die Kernoktave, lediglich die Septime (bei C-Dur das B(H)) fehlt.

Die Töne links der Kernoktave sind so gewählt, dass man leicht Akkorde spielen kann, die zur Tonart, in der die Mundharmonika gestimmt ist, passen. Dazu muss man dann mehrere Kanäle gleichzeitig anblasen bzw. -saugen. Auf Blasen in die Kanäle 1 bis 4 erklingt hier die Tonika, auf Ziehen die Dominante. Dadurch ist es möglich, sich auf der Mundharmonika selbst zu begleiten, indem man abwechselnd mit den Melodietönen die Töne der linken vier Kanzellen anspielt (Zungenschlagtechnik). Diese Eigenschaft hat der Mundharmonika den zweiten Teil ihres Namens eingebracht und einst -- neben ihrer Preisgünstigkeit -- zu ihrer großen Verbreitung beigetragen.

Die Bedeutung der Tonanordnung nach Richter geht aber weit über die eigentlichen Richter-Mundharmonikas hinaus und erstreckt sich auch auf viele doppeltönige (Oktav-, Tremolo-) Mundharmonikas (siehe oben).

Eine Besonderheit unter den Richter-Mundharmonikas ist die Steve-Baker-Special-Stimmung (Marine Band SBS, siehe Abb. 13) von Hohner, die nach dem bekannten Blues-Mundharmonikaspieler und -Lehrer Steve Baker [6] benannt worden ist: hierbei wurde die Mundharmonika zu den tiefen Tönen hin verlängert, indem die Töne der unteren drei Kanäle der Richter-Stimmung links nochmals um eine Oktave versetzt hinzugefügt wurden; am rechten Ende wurde ebenfalls eine Kanzelle ergänzt. Diese Mundharmonika hat daher 14 Kanäle (siehe auch Abb. 2, oben).

Abb. 13: Die "Marine Band SBS" von Hohner SBS

Die diatonische Mundharmonika in Richter-Stimmung wird in allen Musikstilen verwendet, hat aber ihr Hauptanwendungsgebiet heute im Blues und Bluesrock (die Zahl der Beispiele ist unermesslich). Sie ist das beliebteste Anfängerinstrument und wird als solches gerne verschenkt. Daher wird sie auch häufig verwendet, um Volks- und Wanderlieder, Kinder- und Weihnachtslieder darauf zu spielen. Sie hat aber auch ihren festen Platz in der Pop- und Rockmusik. In der Country-Musik tritt sie eher in der Variante der Country-Stimmung (siehe unten) auf (Exponent: Charlie McCoy). Mittlerweile hat sie sich auch im Jazz etabliert, besonders im Jazzrock, sowie -- bei Anwendung der Overbending-Technik -- auch in allen anderen Spielarten des Jazz, angefangen vom Dixieland (Sandy Weltman) über den Bebop (Sebastien Charlier) bis hin zur Avantgarde (Howard Levy, Clint Hoover).

Solo-Mundharmonikas

Solo-Mundharmonikas sind nicht nach dem Richter-System gestimmt, sondern bestehen aus der Aneinanderreihung von mehreren Kernoktaven (siehe oben), wobei die linke am tiefsten und die rechte am höchsten gestimmt ist (vergl. Abb. 2, oben). Sie eignen sich daher nicht für das Spiel einer Akkordbegleitung -- daher auch der Name. Auch die (eigentlichen) chromatischen Mundharmonikas sind in diesem Sinne Solo-Mundharmonikas (siehe dort). Diatonische Solo-Mundharmonikas (Beispiel in Abb. 14) haben im Allgemeinen 12 Kanäle, umfassen also drei Oktaven. Sie haben kein festgelegtes Anwendungsgebiet und sind eher als Übergangsinstrument für Leute gedacht, die von der Bluesharp auf eine chromatische Mundharmonika umsteigen wollen -- aber dafür kann man sich auch gleich eine richtige chromatische Mundharmonika zulegen. Solo-Mundharmonikas kämen auch für die Fälle in Frage, in denen Bluesmusiker chromatische Mundharmonikas benutzen, ohne jedoch den Schieber zu betätigen, zum Beispiel bei Stücken in Dorisch-Moll.

Abb. 14: Solo-gestimmte Mundharmonika Solo-Mundharmonika

Sonderstimmungen diatonischer Mundharmonikas

Sonderstimmungen, also Tonanordnungen, die von der Richter- oder der Solo-Stimmung abweichen, gibt es unermesslich viele, doch nur wenige davon werden serienmäßig hergestellt. So bietet die japanische Firma Tombo [7] unter dem Markennamen "Lee Oskar" [8] diatonische Mundharmonikas in den Stimmungen "Melody Maker" (entspricht in etwa der Country-Stimmung), "Natural Minor" (natürlich Moll) sowie "Harmonic Minor" (harmonisch Moll) an. Dazu werden folgende Anwendungsgebiete genannt:

  • Melody Maker: Country, Rhythm & Blues, Pop, World Beat, African, Reggae; nicht geeignet für Blues!
  • Natural Minor: Moll-Blues, Rock, Latin, Reggae
  • Harmonic Minor: Osteuropäische Musik, Sinti- und Roma-Musik, Jiddische Musik, Asiatische Musik, Tango

Auch Hohner [5] bietet in seiner Classic-Serie Marine Bands in Natürlich- und Harmonisch-Moll an. Beim zweiten noch verbliebenen deutschen Mundharmonikahersteller CASS (C. A. Seydel Söhne, Klingenthal, Sachsen) [9] kann man gegen einen moderaten Aufpreis Mundharmonikas in beliebigen Sonderstimmungen bestellen, die obigen eingeschlossen. Eine sehr umfangreiche Auswahl an Tonanordnungen für Sonderstimmungen findet man auf der website von Pat Missin [10]. Man muss dazu eine komprimierte Datei von dort herunterladen, die eine Reihe von Textdateien mit den verschiedenen Tonanordnungen enthält.

Mundharmonika-Buch

Die Inhalte dieser Mundharmonikakunde finden sich auch - ausführlicher und aktualisiert - in meinem 2022 erschienenen Mundharmonikabuch.

Weiter zum Thema Chromatische Mundharmonikas

Weitere Themen:
Diatonische Mundharmonikas
Sonderstimmungen chromatischer Mundharmonikas
Elektrische und elektronische Mundharmonikas
Begleitmundharmonikas (Akkord- und Bass-Instrumente)
Literatur- und Quellenhinweise
Welche Mundharmonika für welchen Zweck?

Ich danke den Firmen Hohner, Huang Inc. und GEWA (deutscher Distributor für Huang, Victory und Tombo-/Lee-Oskar-Produkte) für die Bereitstellung von Abbildungen. Weitere Abbildungen habe ich den Internetseiten der jeweiligen Hersteller entnommen.


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(c) 2003 Klaus Rohwer